Wie vielfach in den Medien berichtet, hat das Landgericht Karlsruhe in seiner langen Einführung die Ansprüche gegen die jeweiligen Beklagten vorläufig bewertet.TÜV RheinlandDas Gericht vermisst im Vortrag des TÜV Rheinland eine Darlegung, wie dieser die behaupteten Kontrollen durchgeführt hatte. Das Gericht hat – dem Vortrag der Klägerin folgend und entgegen der Verteidigungslinie des TÜV – durchaus die Möglichkeit auch unangekündigter Kontrollen der Firma PIP bei derzeit schon bestehender Rechtslage nicht ausgeschlossen. Denn die europäische Medizinprodukterichtlinie (Richtlinie 93/42/EWG) sieht in ihrem Anhang vor, dass die Prüfstelle unangekündigte Kontrollen vornehmen kann. Diesen Standpunkt der Klägerin hat das Gericht bestätigt. Es argumentiert richtig, dass durch die Beauftragung des TÜV seitens der Firma PIP schon konkludent auch in eine Durchsuchung eingewilligt worden ist. Das Gericht wird jedoch noch der Frage nachgehen, ob hinreichende Anhaltspunkte für derartige unangekündigte Kontrolle im konkreten Fall vorlagen. Wir gehen hiervon aus und haben dies auch vorgetragen.Allianz FrankreichDie Allianz Frankreich, Versicherer von PIP, hatte im Prozess bereits die Zuständigkeit des Gerichts bestritten und sich vor allem gegen die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages gewehrt. Das Gericht hat jedoch den Vortrag der Klägerin, dass nach dem französischen Recht grundsätzlich die Allianz in Haftung genommen werden kann und dies auch vor dem deutschen Gericht möglich ist, bejaht. Das Gericht möchte aber u.a. der Frage noch nachgehen, ob eine - wie von der Allianz behauptet - in dem Versicherungsvertrag enthaltene Klausel der Beschränkung der Haftung auf französisches Staatsgebiet wirksam ist. Ob diese Klausel in dem Originalvertrag tatsächlich enthalten ist, hat die Allianz bislang nicht bewiesen; der Originalvertrag liegt dem Gericht nicht vor. Im Übrigenverneinen wir eine solche Wirksamkeit der Beschränkung, weil es vor dem Hintergrund europäischer Harmonisierungen im Ergebnis nicht richtig sein kann, wenn eine Pflichtversicherung nur für Operationen in Frankreich „gerade stehen“ muss. Denn die Gefahr geht von dem Produkt selbst aus und das Risikopotential der schadhaften Implantateist in jedem (europäischen) Land das gleiche. Es wäre nicht gerechtfertigt, wenn bei letztlich gleichen Sachverhalten eine unterschiedliche Handhabung erfolgen soll, ohne dass ein überzeugender sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist ("gleiches Recht für alle Betroffenen").Wir vertretendabei den Standpunkt, dass das europäische Haftungssystem in derartig gravierenden Fällen bei implantierbaren, gefahrgeneigtenMedizinprodukten europaweit auch im Lichte des Europarechts (AEUV = ehemaliger EG-Vertrag, Grundrechts-Charta der EU) einheitlich zu Lasten der Pflichtversicherung gehen muss.Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) weitet schon jetzt im Wege der (erweiterten) Auslegung europarechtlicher Vorgaben regelmäßig und kontinuierlich eine Haftung auf Beteiligte aus, anstatt sie einzuschränken.Hinzu kommt, dass sich die EU klar das gemeinschaftliche Ziel gesetzt hat, nicht nur einen hohen Verbraucherschutz, sondern auch einen hohen Patientenschutz zu verfolgen. Das ist an verschiedenen Stellen in den Verträgen der Mitgliedsstaaten niedergelegt. Würde man die Haftung der Versicherung verneinen, so würden diese zwischen den Mitgliedsstaaten vereinbarten Ziele deutlich konterkariert. Das Ergebnis wäre nicht vertretbar und würde jedem Billigkeitsgrundsatz widersprechen.BrenntagIm Prozess wurden Unterlagen vorgelegt, die der Klägerin bei Klageeinreichung noch nicht bekannt sein konnten. Es handelt sich um interne Dokumente einer wohl französischen Tochterfirma von Brenntag. Hier wird noch eine Verbindung zur beklagten Firma und eine Haftung der möglicherweise französischen Tochter geprüft. Eine Erweiterung des Verfahren ist nicht ausgeschlossen.Bundesrepublik DeutschlandSoweit in den Medien berichtet wird, dass ein Versagen deutscher Behörden nicht vorliegen dürfte, so ist dies die derzeitige, noch nicht abschließende Position des Gerichts. Hier wird noch der Informationsfluss zwischen den internationalen und nationalen Stellen näher geprüft werden. Der Ausgang ist offen.Der ArztHinsichtlich des beklagten Arztes wird die Würdigung im Fall der Klägerin dahingehen müssen, dass er die Risiken verharmlost hat. Voraussichtlich wird noch ein medizinisches Gutachten eingeholt werden. Unabhängig von dem Ausgang eines möglichen Gutachtens aber reicht grundsätzlich allein die Beschönigung einer Operation für eine Haftung aus.
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